Digitale Bildungsleistungen

Hybrid- und Webinare, Veranstaltungsaufzeichnungen, Lernplattformen und Fernunterricht: Lernen ist ortsunabhängig geworden. Und seine umsatzsteuerliche Einordnung ein Flickenteppich. Ein Wegweiser.

Über eine digitale Bildungsleistung ist mit gesondert ausgewiesener (deutscher) Umsatzsteuer abzurechnen, wenn der (gesetzliche) Ort der Leistung in Deutschland liegt und wenn auf die erbrachte Leistung keine Befreiungsnorm Anwendung findet. Wesentliche Kriterien für die Ortsbestimmung sind zum einen die Art des Leistungsempfängers (Kunden), zum anderen die Art der Erbringung der Bildungsleistung (Online-Dienstleistungen). Diese Kriterien führen zu einer großen Ausdifferenzierung der umsatzsteuerlichen Behandlung digitaler Bildungsleistungen, was erheblichen organisatorischen Aufwand bereits bei Auftragsannahme erfordert.

Online-Dienstleistungen …

Was unter Online-Dienstleistungen zu verstehen ist, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) in seinem Schreiben vom 8.8.2025 dargestellt (Gz. III C 3 – S 7177-j/00008/006/043, COO.7005.100.3.12451642). Hierbei trifft das BMF drei Unterscheidungen: (1) vorproduzierte Inhalte, (2) Live-Streaming und (3) Bereitstellung über Plattformen:

  1. Vorproduzierte Inhalte, die mit minimaler menschlicher Beteiligung in digitaler Form über das Internet bereitgestellt werden, so dass sie der Leistungsempfänger (Kunde) zu einem selbst gewählten Zeitpunkt abrufen kann, werden „auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen“ genannt (§ 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG, vgl. Art. 7 Abs. 1 MwStVO). Hierzu zählt z.B. das Herunterladen einer Veranstaltungs- bzw. Vortragsaufzeichnung, aber auch der automatisierte Fernunterricht (Onlineübungen mit automatisch generierter Rückmeldung). Der (fehlende) Grad menschlicher Beteiligung bezieht sich dabei auf den eigentlichen Leistungsvorgang (BFH-Urteil vom 1.6.2016, Az. XI R 29/14) im Zeitpunkt der Interaktion zwischen Kunde und Anbieter (so die Formulierung der EU-Kommission, Arbeitspapier Nr. 896 vom 9.2.2016).
  2. Live-Streaming, in Echtzeit parallel zur Vor-Ort-Veranstaltung oder anstelle einer Präsenzveranstaltung, stellt keine o.g. auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung dar, sondern eine (herkömmliche) sonstige Leistung.
  3. Plattformen: Wird der Live-Stream oder die Aufzeichnung über externe Veranstaltungsportale erbracht, d.h. wird für das Erbringen einer sonstigen Leistung ein Dritter zwischen Anbieter und Kunde dergestalt eingeschaltet, dass die sonstige Leistung über die Plattform des Dritten geleitet wird (via Telekommunikationsnetz, Schnittstelle oder Portal), so kann die Sonderregelung der sog. Dienstleistungskommission zum Tragen kommen (§ 3 Abs. 11/11a UStG), auf die an dieser Stelle lediglich verwiesen werden soll, weil sie eher die Musik- und Unterhaltungsbranche als die Bildungsleistungen betrifft.

… gegenüber Nicht-Unternehmern (B2C) oder

Wird die Bildungsleistung ggü. einem Nicht-Unternehmer erbracht (oder an einen Unternehmer, der diese Leistung jedoch nicht für sein Unternehmen bezieht), ist die Bildungsleistung in Deutschland umsatzsteuerbar, wenn der Ort der Leistung im Inland belegen ist. Ort der Leistung ist grds. der Empfängerort bzw. der Verbrauchsort; das ist der Wohnort bzw. der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kunden (bei Live-Streaming gem. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 UStG; bei elektronischen Dienstleistungen gem. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG).

Als Ort der Ansässigkeit soll bei einer elektronischen Dienstleistung vorrangig auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort abgestellt werden, ansonsten auf den Wohnsitz einer Person (Art. 58 Abs. 1 c) MwStSystRL); dabei wird vermutet, dass dies der Ort des Festnetzanschlusses bzw. der Ländercode der verwendeten SIM-Karte sei (Art. 24b MwStVO). Den Nachweis der Ansässigkeit hat der leistende Unternehmer zu erbringen; dabei ist die Art der Nachweisführung detailliert geregelt (Art. 23, Art. 24b, 24f MwStVO). Bei Nichterweislichkeit des Empfängerortes ist auf Vorliegen eines inländischen Empfängerortes zu schließen, so der BFH (Beschluss vom 28.11.2017, Az. V B 60/17), d.h. im Zweifel sollte der Umsatz im Inland umsatzversteuert werden, sofern er nicht umsatzsteuerfrei ist (siehe unten).

Zur Besteuerung am Empfänger– bzw. Verbrauchsort gibt es allerdings eine Ausnahme:

Wenn nämlich der Anbieter seine Leistung auf elektronischem Wege erbringt und wenn die Summe der Entgelte von Kunden, die Nicht-Unternehmer sind und wo der Verbrauchsort im übrigen (EU-) Gemeinschaftsgebiet belegen ist, den Schwellenwert i.H.v. 10.000 € p.a. (sowohl Vorjahr als auch voraussichtlich im laufenden Jahr) nicht überschreitet, dann liegt der Ort der Leistung im Ursprungsland, d.h. am Sitzort des leistenden Unternehmers (§ 3a Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG mit weiteren Details sowie zur Optionsmöglichkeit).

Wird ein Umsatz nach der Ortsbestimmung des § 3a UStG nicht in Deutschland erbracht, ist er in Deutschland nicht umsatzsteuerbar, d.h. er unterliegt hier nicht der Umsatzsteuer. Für diesen Umsatz gelten die Regelungen des ausländischen Staates.

Welcher Staat gehört zum Gemeinschaftsgebiet des EU-Binnenmarktes, welcher nicht und wird daher Drittstaat genannt? Hierzu hat das Bundeszentralamt für Steuern ein Merkblatt herausgegeben (www.bzst.de).

Wird die sonstige Leistung in einem Staat des übrigen (EU-) Gemeinschaftsgebietes erbracht, bedarf es grds. nicht der Registrierung in dem anderen EU-Staat. Vielmehr kann der leistende Unternehmer von der One-Stop-Shop-Regelung (OSS) Gebrauch machen: „Der One-Stop-Shop ermöglicht es Unternehmern, ihre unter die Sonderregelung fallenden Umsätze in einer besonderen Steuererklärung zu erklären, diese Steuererklärung zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf elektronischem Weg zu übermitteln und die sich ergebende Steuer insgesamt zu entrichten.“ (https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Umsatzsteuer/One-Stop-Shop_EU/one_stop_shop_eu_node.html#js-toc-entry2)

Handelt es sich beim Leistungsort hingegen um einen Drittstaat, sollten Informationen darüber eingeholt werden, ob im Drittstaat eine Registrierungspflicht besteht und ob Erklärungspflichten zu erfüllen sind.

… gegenüber anderen Unternehmern (B2B)

Unternehmereigenschaft des Kunden

Teilt der im übrigen (EU-) Gemeinschaftsgebiet ansässige Kunde dem leistenden Unternehmer seine Umsatzsteueridentifikationsnummer (UId-Nr.) mit und hat sich der Leistende die Gültigkeit der UId-Nr. samt Name und Anschrift (vom BZSt) bestätigen lassen, kann der Leistungserbringer regelmäßig davon ausgehen, dass sein Kunde Unternehmer ist („Steuerpflichtiger“ i.S.d. Artikel 18 Abs. 1 a), Unterabschnitt 2, Art. 19  MwStVO, UStAE Abschn. 3a.2 Abs. 9 Satz 4). Erbringt der Unternehmer sonstige Leistungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ihrer Art nach aber nicht für das Unternehmen, sondern für den privaten Gebrauch des Kunden bezogen werden, ist zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers erforderlich, in der dieser (schriftlich) bestätigt, dass die bezogene sonstige Leistung für sein Unternehmen bestimmt ist (UStAE Abschn. 3a.2 Abs. 11a).

Ist der Leistungsempfänger im Drittland ansässig, kann der Nachweis der Unternehmereigenschaft durch eine Bescheinigung einer Behörde des Sitzstaates geführt werden, in der diese bescheinigt, dass der Leistungsempfänger dort als Unternehmer erfasst ist (vgl. UStAE Abschn. 3a.2 Abs. 11 Satz 1).

Ort der Leistung und Folgen für die Besteuerung

Wird die Bildungsleistung ggü. einem Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht, ist die Bildungsleistung in Deutschland umsatzsteuerbar, wenn sich der Unternehmenssitz des unternehmerisch tätigen Leistungsempfängers in Deutschland befindet (§ 3a Abs. 2 UStG i.V.m. § 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG). Ort der Leistung ist auch hier der Verbrauchsort. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob die Bildungsleistung von der Umsatzsteuer befreit ist (siehe unten).

Sitz der Kunde jedoch im Ausland, wird der Umsatz nach der Ortsbestimmung des § 3a Abs. 2 UStG nicht in Deutschland erbracht, d.h. die Leistung ist in Deutschland nicht umsatzsteuerbar; abgerechnet wird ohne (deutsche) Umsatzsteuer. Ob dennoch umsatzsteuerliche Pflichten bestehen, hängt von dem Leistungsort ab:

Betreibt der Kunde sein Unternehmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet, hat er eine europäische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer benannt, ist auf eine umsatzsteuerpflichtige Bildungsleistung das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b UStG anzuwenden: Der leistende Unternehmer fakturiert ohne Umsatzsteuer und der Kunde hat die auf diese Bildungsleistung entfallende Umsatzsteuer in seinem Land anzumelden und abzuführen. Ist die Bildungsleistung hingegen (nach dem dortigen Recht) umsatzsteuerfrei, ist das Reverse-Charge-Verfahren nicht anwendbar (vgl. § 13b Abs. 1 UStG: „steuerpflichtige sonstige Leistung“). Zu klären bliebe, ob in dem anderen Staat für steuerfreie Umsätze Erklärungspflichten existieren.

Wird der Umsatz hingegen nicht im Binnenmarkt, sondern in einem Drittstaat erbracht (z.B.in der Schweiz, in Großbritannien oder in den USA), gelten für diesen Umsatz die Regelungen des Drittstaates. Es empfiehlt sich daher, Informationen darüber einzuholen, ob in dem Drittstaat eine Registrierungspflicht besteht und ob Erklärungspflichten zu erfüllen sind.

… können bei Interaktionsmöglichkeit umsatzsteuerfrei sein

Wird die Unterrichtsleistung im Rahmen des Live-Streamings interaktiv erbracht, z.B. durch das Angebot einer Chatfunktion oder der mündlichen Beteiligung, steht der Weg in die Umsatzsteuerbefreiung offen, d.h. der (in Deutschland umsatzsteuerbare) Umsatz ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 oder § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit (vgl. BMF vom 8.8.2025, a.a.O., Rz. 13).

Umgekehrt bedeutet dies: Fehlt eine Interaktionsmöglichkeit, wie vor allem beim Abruf vorproduzierter Inhalte, ist die Befreiung von der Umsatzsteuer als Bildungsleistung ausgeschlossen.

Ob sich die umsatzsteuerliche Beurteilung einer auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistung ändert, wenn es sich um Fernunterricht i.S.d. FernUSG handelt, wird aktuell noch diskutiert:
In der Entwurfsfassung des BMF-Schreibens zu Bildungsleistungen (1/2025) beabsichtigt die Finanzverwaltung, „Lehrgänge und Streaming-Angebote, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen sind, […] als Unterrichtsleistungen steuerfrei“ zu behandeln. Daneben ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 des Staatsvertrags über das Fernunterrichtswesen die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) bei Vorliegen eines Fernunterrichts die für die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG zuständige Landesbehörde. Das FernUSG wäre damit auch umsatzsteuerrechtlich bedeutsam.

Sollte die Bildungsleistung umsatzsteuerpflichtig sein, könnte für den Vortragenden evtl. eine Steuersatzermäßigung in Betracht kommen, wenn er seine Urheberrechte auf die Bildungseinrichtung überträgt (§ 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG).

Leistungspakete

Kann der Kunde nicht nur am Live-Stream teilnehmen, sondern erhält er zusätzlich die Möglichkeit, sich später zu einem beliebigen Zeitpunkt die Aufzeichnung der Veranstaltung herunter zu laden, spricht man von einer Leistungskombination. Ob es sich bei der Leistungskombination um eine einheitliche Gesamtleistung oder um mehrere selbständige Leistungen handelt, ist nach allgemeinen Grundsätzen und aus der Perspektive des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen; entscheidend ist der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (vgl. Abschn. 3.10 Abs. 1, 2 und 5 UStAE, BMF-Schreiben vom 8.8.2025, a.a.O. Rz. 12):

  • Handelt es sich um eine komplexe Gesamtleistung, bei der die einzelnen Teile untrennbar miteinander verbunden sind bzw. bei der erst in der Kombination eine optimale Nutzung der Teile ermöglicht wird oder
  • handelt es sich vielmehr um Leistungen, die auch kombiniert ihren jeweils eigenständigen Charakter behalten?

Die Frage der Einheitlichkeit der Leistung hat vor allem hinsichtlich des Orts der Leistung (und damit der Steuerbarkeit), aber auch hinsichtlich des Umfangs einer etwaigen Steuerbefreiung bzw. des anzuwendenden Steuersatzes Relevanz, denn Nebenleistungen teilen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung (vgl. Abschn. 3.10 Abs. 5 UStAE).

Liegen hingegen mehrere und deshalb getrennt zu beurteilende Leistungen vor, ist ein einheitlich vereinbartes Gesamtentgelt auf die einzelnen Teile des Paketes aufzuteilen.

Fazit

Angesichts der kundenbezogenen Informationen, die der Leistungserbringer bereits bei Auftragsannahme einzuholen und zu dokumentieren hat, kann von Bürokratieabbau keine Rede sein.  Sitzt der Kunde im Ausland, hängt die umsatzsteuerliche Behandlung der digitalen Bildungsleistung entscheidend von seinen Angaben ab, was für den leistenden Unternehmer Risiken birgt.

Risiken ergeben sich auch durch Unsicherheiten bei der rechtlichen Beurteilung; sie kann sich im Einzelfall schwierig gestalten, genannt sei als Beispiel die schlichte Frage, ob der Abruf eines ausführlichen Seminarskripts als untergeordnete Nebenleistung oder als selbständige Hauptleistung anzusehen ist.

Organisatorisch aufwändig wird es zudem, wenn die Bildungsleistungen von der Umsatzsteuer befreit sind und dadurch die mit ihnen in Zusammenhang stehende Vorsteuer aus Eingangsleistungen nicht abzugsfähig ist; ggf. sind Vorsteuerbeträge aufzuteilen. Das gilt selbst dann, wenn sich der Ort der Leistung im Ausland befindet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Dabei ist zu beachten, dass die Leistung nicht nur als „klassische“ Bildungsleistung gem. § 4 Nr. 21 oder § 4 Nr. 22 UStG umsatzsteuerfrei sein kann, sondern seit dem 1.1.2025 ebenso als Leistung eines (EU-) Kleinunternehmers (§ 19 UStG).

Für eine einzige Veranstaltung, die sowohl in Präsenz durchgeführt als auch im Livestream übertragen und anschließend in der Mediathek zum Download zur Verfügung gestellt wird, ergeben sich mehrere Leistungsorte, ggf. mit unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Sie sind bei der Fakturierung zu berücksichtigen und wirken sich auf den Umfang des Vorsteuerabzugs aus. Keine einfache Aufgabe für den leistenden Unternehmer.