Steuerhinterziehung geerbt – Handschellen für den Erben?

Symbolbild Steuerrecht

Steuerhinterziehung geerbt – Handschellen für den Erben?

Verhängnisvolle Untätigkeit: Bevor der Erbe den Fiskus über seinen Fund im Dunkeln lässt, sind mögliche Folgen zu bedenken.

Es soll Zeiten gegeben haben, in denen heimlich Koffer voller Geld über die Grenze geschafft worden sind. Niemand durfte von dem Schwarzgeld wissen. Man munkelt, mancher habe dieses Geheimnis mit in sein Grab genommen; nun schlummern diese herrenlose Nummernkonten hinter abgeschotteten Bankentüren. Und doch schafft es immer mal wieder eines dieser Konten zurück ans Tageslicht – zur Überraschung des Erben.

Sein Schweigen kann den Erben teuer zu stehen kommen, denn selbst zeitlich weit zurückliegende Steuerhinterziehungen werfen lange Schatten: Es drohen neben Nachzahlungen für viele Jahre – die hinterzogenen Steuern selbst samt ihrer Verzinsung – eine Geldstrafe oder sogar eine Haftstrafe des Erben von bis zu zehn Jahren, je nach Schwere der Tat.

Was ist also zu tun, wenn ein Erbe nicht nur Vermögen, sondern auch eine Straftat im Nachlass vorfindet? – Er holt es in die Legalität zurück. In drei Schritten:

1.  Korrektur der unrichtigen Einkommensteuererklärungen des Erblassers

Hat der Erblasser Zinsen (oder andere im Inland steuerpflichtige Erträge) in seinen Einkommensteuererklärungen nicht angegeben oder hat der Erblasser erst gar keine Steuererklärungen abgegeben, obliegt es dem Erben, sobald er hiervon positiv Kenntnis erlangt, umgehend die unvollständigen Erklärungen des Erblassers zu berichtigen (§ 153 AO) bzw. erstmals Erklärungen einzureichen (§ 25 Abs. 3 EStG). Unterlässt der die Korrektur insofern „pflichtwidrig“, setzt sich der Erbe dem Vorwurf der Steuerhinterziehung aus, nämlich der Steuerhinterziehung durch Unterlassen einer gebotenen Berichtigung bzw. Erklärung steuerlich erheblicher Tatsachen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO): Er selbst ist es, der nach der zunächst durch den Erblasser begangenen Steuerhinterziehung nun durch eigenes Nichts-Tun eine weitere Steuerhinterziehung begeht – sofern er vorsätzlich handelt.

Vorsätzlich handelt der Erbe bereits dann, wenn er es zumindest für möglich hält, dass die Steuern durch das Verschweigen der Einnahmen tatsächlich niedriger festgesetzt worden sind als es den Steuergesetzen entspricht (sog. Eventualvorsatz, vgl. Urteil des BGH vom 8.9.2011. 1 StR 38/11).

Im Erbfall gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf die Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO). Für die im Todeszeitpunkt noch nicht erloschenen Steuerschulden des Erblassers werden die Erben zu neuen Steuerschuldnern. Notwendige Voraussetzung für den Übergang der Steuerschulden im Wege der Erbfolge ist, dass bis zum Tod des Erblassers noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§ 47, § 169 ff. AO).

Strafbar ist die Unterlassung der Anzeige- und Berichtigungspflicht in Bezug auf die Erklärung des Erblassers, wenn der Erbe deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt hat (vgl. Stark-Lütke Schwienhorst/Hoyer in: Gosch, AO/FGO, § 370 AO, Rz. 95).

Die Festsetzungsfrist beginnt, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung tatsächlich eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Die Festsetzungsfrist beträgt in diesen Fällen grds. vier Jahre, verlängert sich jedoch auf zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist (vgl. § 169 Abs. 2 AO).

Die Festsetzungsfrist endet allerdings nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (Berichtigung) gem. § 153 AO (vgl. § 170 Abs. 9 AO); die Festsetzungsfrist endet auch nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist (vgl. § 170 Abs. 7 AO). Ob und inwieweit die an die Strafverfolgungsverjährung geknüpfte Ablaufhemmung auf den Erbfall Anwendung findet, war bislang höchstrichterlich nicht geklärt; es galt lediglich: Die Hemmung nach § 171 Abs. 7 AO wegen der Tat eines Erblassers kann nach dessen Tod nicht mehr bestehen, weil die Verfolgbarkeit seiner Tat mit dessen Tod endet (vgl. BGH-Beschluss vom 08.06.1999 – 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108, Rz. 13).

Der BFH hat mit wegweisendem Urteil vom 21.6.2022 in Bezug auf den Erben entschieden (Az. VIII R 26/19, HFR 2023, 201-204), dass

  1. die von einem Erben durch unterlassene Berichtigung begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 153 Abs. 1 AO) nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist führt, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert hatte;
  2. die Festsetzungsfrist nicht abläuft (gem. § 171 Abs. 7 AO), wenn der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in eine zehnjährige Festsetzungsfrist eintritt und hinsichtlich derselben Steuer eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begeht. Die Ablaufhemmung dauert in diesem Fall an, solange der Erbe wegen seiner eigenen Hinterziehung (durch Unterlassung) strafrechtlich verfolgt werden kann.

Da die Strafverfolgungsverjährung bei besonderer Schwere der Steuerhinterziehung inzwischen auf 15 Jahre verlängert worden ist (§ 376 i.V.m. § 370 Abs. 3 AO), führt die Steuerhinterziehung des Erben infolge der Ablaufhemmung gleichzeitig zu einer erheblichen Verlängerung der Änderungsbefugnis des Finanzamtes. Aufgrund strafrechtlicher Unterbrechungstatbestände kann es zu einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit besonders schwerer Steuerhinterziehungen von bis zu 37,5 Jahren nach Tatbeendigung kommen, so Dr. Oliver Schilling, Richter am FG (vgl. EFG 2024, Seite  1458).

Angesichts des zeitlichen Ausmaßes der Strafverfolgbarkeit wird ein Erbe, der nicht „umgehend“ die Unvollständigkeit der Steuererklärungen des Erblassers angezeigt und berichtigt hat, später die Gefahr, strafrechtlich belangt zu werden, vielleicht noch abwenden wollen. Der Weg in die Straffreiheit führt über eine wirksame Selbstanzeige. Doch Achtung: Sie ist nur möglich, solange die Tat noch nicht entdeckt worden ist (§ 371 Abs. 2 AO).

Strafbar kann das Unterlassen der Anzeige- und Berichtigungspflicht jedoch nur dann sein, wenn der Erbe das Finanzamt über die steuererheblichen Tatsachen in „Unkenntnis“ gelassen hat – oder anders ausgedrückt: Sind die vom Erblasser seinerzeit hinterzogenen Zinsen (o.a. Einnahmen) zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe sie dem Finanzamt pflichtgemäß hätte mitteilen müssen, der Finanzverwaltung bereits bekannt, liegt begrifflich keine Steuerhinterziehung vor. Die (Vor-)Kenntnis der Finanzbehörde von den ihr gegenüber anzugebenden steuererheblichen Tatsachen ist somit ein negatives Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung (Stark-Lütke Schwienhorst/Hoyer in: Gosch, AO/FGO, § 370 AO, Rz. 79).

Zu klären bleibt in diesem Zusammenhang aber erstens, was unter „Kenntnis“ zu verstehen ist, und zweitens, auf wessen Kenntnis es innerhalb der „Finanzbehörde“ ankommt: „Kenntnis“ liegt vor, wenn die Finanzverwaltung über Informationen verfügt, die ihr tatsächlich eine zutreffende Festsetzung und beweisrechtlich erfolgreiche Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs ermöglichen (vgl. Stark-Lütke Schwienhorst/Hoyer in: Gosch, AO/FGO, § 370 AO 1977, Rz. 79, 81); m.a.W.: „Kenntnis“ hat die Finanzverwaltung immer dann, wenn sie auch ohne Anzeige oder Berichtigung durch den Erben die Steuern des Erblassers in korrekter Höhe hätte festsetzen können. Das setzt voraus, dass die erforderlichen Informationen gerade an derjenigen Stelle innerhalb der Finanzverwaltung verfügbar waren, die mit deren tatsächlicher Würdigung und steuerrechtlichen Verwertung betraut war (vgl. Stark-Lütke Schwienhorst/Hoyer in: Gosch, AO/FGO, § 370 AO, Rz. 82).

Wie verhält es sich mit Daten, die der Finanzverwaltung elektronisch bereitgestellt worden sind? Nicht nur Arbeitslöhne, Renten und Krankenversicherungsbeiträge werden der Finanzverwaltung jährlich von Arbeitgebern und Versicherungsträgern gemeldet. Seit Einführung des automatischen Informationsaustausches (AIA) über Finanzkonten werden dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Informationen über Finanzkonten, die Inländer im EU-Ausland oder in ausgewählten weiteren Staaten unterhalten, wie z.B. der Schweiz, jährlich auf elektronischem Wege übermittelt (§ 7 EUAHiG analog). Das BZSt verarbeitet die eingehenden Daten und leitet sie an die zuständigen (Wohnsitz-) Finanzämter weiter. Bei Abweichungen zwischen den gemeldeten ausländischen Kapitalerträgen und den Angaben innerhalb der deutschen Steuererklärungen leiten die Finanzämter erforderliche weitere Schritte ein.

Diese an Deutschland übermittelten Konten-Informationen dürfen sowohl für das Besteuerungsverfahren als auch für ein Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren verwendet werden (vgl. § 19 Abs. 2 EUAHiG).

In einem zum Lohnsteuerabzug ergangenen Urteil hat der BFH am 14.5.2025 (Az. VI R 14/22) entschieden, dass sich die Finanzbehörde den gesamten Inhalt der bei ihr geführten Papierakte, aber ebenso einer elektronisch geführten Akte als bekannt zurechnen lassen muss. Bekannt sind neben dem Inhalt dieser geführten Akten auch sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von anderen (Dienst-)Stellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt. Nicht bekannt sind dagegen elektronische Daten, die nicht automatisch zur Papierakte/elektronischen Akte gelangen und lediglich auf abrufbaren Datenspeichern der Finanzbehörde liegen; dies gilt selbst dann, wenn die Daten mit der Steuernummer verknüpft sind. (vgl. BFH-Urteil vom 14.5.2025, Az. VI R 14/22, BFH/NV 2025, 1627-1630, Rz. 25-26). Diese Grundsätze dürften m.E. ebenso auf andere elektronisch bereitgestellte Daten anzuwenden sein, etwa auf die im Rahmen des AIA bereitgestellten Kontendaten. Für das Steuerstrafrecht wirkt die Auffassung des BFH verschärfend: Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung bleibt solange verwirklicht, bis die Information den Kenntnisbereich des sachlich zuständigen Bearbeiters erreicht hat.

2.  Anzeige des Erwerbs zum Zwecke der Erbschaftsteuer

Der Erbe hat den Erwerb binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Erbanfall dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen (§ 30 ErbStG): Die bloße Möglichkeit einer Steuerpflicht genügt für die Begründung einer Anzeigepflicht (BFH v. 10.10.1951, Az. IV 216/51 S, BStBl III 1951, 209).

Wird die Anzeige hingegen nicht erstattet, ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, wenn wegen der nicht fristgerechten vorsätzlich unterlassenen Anzeige keine Festsetzung erfolgt. Dabei genügt der Eventualvorsatz, d.h., wer das Bestehen einer Anzeigepflicht für möglich hält und sie in dem Bewusstsein unterlässt, dass damit eine Erbschaftsbesteuerung verhindert werden kann, begeht eine vorsätzliche Steuerhinterziehung (vgl. Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG/SchenkStG, § 30 ErbStG, Rz. 24 m.w.N.).

Nur die Tatsache des Erwerbes als solches ist Gegenstand der Anzeigepflicht. Die Anzeige soll die Steuerverwaltung in die Lage versetzen, beurteilen zu können, ob und wen sie zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert. Es ist diese Erbschaftsteuererklärung, in der die Vermögensgegenstände hernach vollständig anzugeben sind. Die Erklärung und nicht die Anzeige hat der Erbe gem. § 153 AO zu berichtigen, falls er später weitere Vermögensgegenstände findet (vgl. Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG/SchenkStG, § 30 ErbStG, Rz. 25).

Nachlassverbindlichkeiten mindern den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und sind deshalb ebenfalls in der Erklärung anzugeben. Auch Steuerschulden des Erblassers werden als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen, soweit sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers für diesen eine wirtschaftliche Last darstellen und gegenüber dem Erblasser entstanden sind (Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG/SchenkStG, § 10 ErbStG, Rz. 121). Zu ihnen zählen selbst diejenigen Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, sofern sie tatsächlich festgesetzt werden, und zwar auch dann, wenn die Steuerhinterziehung erst durch den Erben angezeigt wird. Auf die Frage der wirtschaftlichen Belastung des Erblassers kommt es insofern nicht an. Gleiches gilt für die Hinterziehungszinsen, soweit sie auf den Zeitraum vom Beginn des Zinslaufs bis zum Todestag des Erblassers entfallen (vgl. BFH v. 28.10.2015, Az. II R 46/13; vgl. Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG/SchenkStG, § 10 ErbStG, Rz. 121, 125).

Beauftragen die Erben einen Steuerberater, um die Steuerangelegenheiten des Erblassers zu bearbeiten, sind die dadurch erwachsenden Kosten gleichfalls als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Dies gilt auch für solche Kosten, die durch eine Korrektur der Steuererklärungen des Erblassers entstehen, denn auch diese Kosten rühren vom Erblasser her, weil er durch sein Versäumnis die Ursache für die Kosten gesetzt hat (vgl. Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG/SchenkStG, § 10 ErbStG, Rz. 127 m.w.N.).

3.  Versteuerung der künftigen Erträge in der eigenen Einkommensteuererklärung

Als dritter und letzter Schritt in die Legalität ist zu erwähnen, dass die seit dem Erbanfall nunmehr dem Erben zuzurechnenden Zinseinnahmen (oder anderen Erträge) vom Erben in seiner eigenen Einkommensteuererklärung anzugeben sind.

Auch hier gilt: Wurden bereits Erklärungen abgegeben und stellen sie sich im Nachhinein als unvollständig oder falsch heraus, sind sie zu berichtigen (§ 153 AO).

4.  Fazit: Die Maschen des Netzes werden immer enger

Sie sind durchaus erheblich, die potenziell sehr langwierigen – steuerrechtlichen wie strafrechtlichen – Risiken, mit denen Erben als Gesamtrechtsnachfolger konfrontiert sind, wenn bereits der Erblasser Steuern hinterzogen hatte und die Festsetzungsfrist bis zu seinem Tod noch nicht abgelaufen war.

Ist der Erbe seinen Anzeige- und Berichtigungspflichten nicht rechtzeitig nachgekommen und möchte er später die Gefahr einer Strafverfolgung abwenden, bleibt ihm nur die wirksame Selbstanzeige als Ausweg.

In Zeiten zunehmenden digitalen Informationsaustausches lautet die spannende Frage: Ist eine Tat bereits entdeckt, wenn die Einnahmen dem BZSt bereits elektronisch gemeldet worden sind, das BZSt diese Daten aber noch nicht an das Wohnsitzfinanzamt weitergeleitet hat? – Wohl ja: Erfolgt die Entdeckung durch eine ausländische Behörde, ist die Selbstanzeige gesperrt, wenn sie aufgrund eines zwischenstaatlichen Abkommens oder EU-Rechts zur Übermittlung ihrer Erkenntnisse an deutsche Finanzbehörde verpflichtet ist (vgl. Hoyer/Stark in: Gosch, AO/FGO, § 371 AO, Rz. 78 m.w.N.).

Deshalb kann dem Erben, der im Nachlass neben Vermögenswerten auch Delikte vorfindet, nur geraten werden, die Anzeige- und Berichtigungspflichten ernst zu nehmen – und zügig zu handeln: Zögern kann sehr unangenehme Folgen zeitigen.