Fluch & Segen umsatzsteuerfreier Bildungsleistungen

Fluch & Segen umsatzsteuerfreier Bildungsleistungen

Fachkräftemangel und fortschreitende Digitalisierung erfordern lebenslanges Lernen: Bildung ist für unseren Wohlstand essentiell. Deshalb wird sie staatlich gefördert, auch durch die Befreiung von der Umsatzsteuer.

Die am 1.1.2025 in Kraft getretene Rechtsänderung birgt viele Unsicherheiten – nicht nur für gewerbliche Bildungsinstitute; selbständige Lehrer und Dozenten sind gleichfalls betroffen. Eine Übersicht.

Bislang umsatzsteuerpflichtige Bildungsinstitute sehen sich aktuell mit weitreichenden Risiken konfrontiert: Kann das Finanzamt für sie – gegen ihren Willen – eine Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde mit Rückwirkung beantragen, sie also mit einer Umsatzsteuerbefreiung zwangsbeglücken, die ihnen den Vorsteuerabzug raubt und sie (oder ihren Vermieter) möglicherweise in die Umsatzsteuerberichtigung nach § 15a UStG treibt?

Dozent selbst als eigenständige Bildungseinrichtung

Von dieser Problematik sind nicht nur größere Bildungsinstitute betroffen, sondern auch Einzelpersonen, die von der zuständigen Landesbehörde selbst eine Bescheinigung erhalten haben, unmittelbar Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen zu erbringen und die wegen des Gebots der Rechtsformneutralität (Abschn. 4.21.2 Abs. 1 S. 5 UStAE) ebenfalls eine begünstigte „Bildungseinrichtung“ i.S.d. § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sein können. In der Praxis dürften jedoch die wenigsten selbständigen Lehrer und Dozenten über eine solche Bescheinigung verfügen.

Dozent als selbständiger Lehrer für eine andere Bildungseinrichtung

Weitaus häufiger werden selbständige Lehrer und Dozenten auf Honorarbasis für Bildungseinrichtungen tätig, die entweder als staatliche Schulen und Hochschulen begünstigt sind (§ 4 Nr. 21 a) S.1, 1. Alt. UStG) oder als Ersatzschulen (§ 4 Nr. 21 a) aa) UStG) bzw. als Privat- und Ergänzungsschulen, letztere ausgestattet mit einer entsprechenden Bescheinigung der Landesbehörde (§ 4 Nr. 21 a) bb) UStG). In diesen Fällen erbringt der selbständige Lehrer seinerseits ggü. der Bildungseinrichtung umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen gem. § 4 Nr. 21 b) UStG.

Wird der selbständige Lehrer demnach für eine Bildungseinrichtung tätig, die für ihre eigene Umsatzsteuerbefreiung eine Bescheinigung benötigt (§ 4 Nr. 21 a) bb) UStG), „klebt“ die Umsatzsteuerbefreiung des selbständigen Lehrers am Status der Einrichtung (§ 4 Nr. 21 b) bb) UStG).

Oder umgekehrt ausgedrückt: Wird ein selbständiger Lehrer ggü. einer Bildungseinrichtung tätig, die bislang keine Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde beantragt hat (z.B. weil sie aufgrund eigener Investitionen den Vorsteuerabzug erhalten wollte), so erbringt der selbständige Lehrer ggü. der (umsatzsteuerpflichtigen) Bildungseinrichtung seinerseits umsatzsteuerpflichtige Bildungsleistungen mit Vorsteuerabzugsberechtigung.

Fraglich ist derzeit, ob Unternehmer faktisch ein Wahlrecht haben, ihre Leistungen umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig zu behandeln, indem sie entweder eine Bescheinigung bei der Landesbehörde beantragen oder es unterlassen. Sollte es der Finanzverwaltung jedoch wie bislang möglich sein (Abschn. 4.21.5 Abs. 2 UStAE), von Amts wegen für die Bildungseinrichtung gegen deren Willen eine Bescheinigung bei der Landesbehörde zu erwirken, und würde diese Bildungseinrichtung in der Folge rückwirkend von der Umsatzsteuer befreit, müsste sich das ebenfalls auf die Leistungen des selbständigen Lehrers auswirken – mit all seinen Konsequenzen: Notwendigkeit von Rechnungskorrekturen (§ 14c Abs. 1 UStG), rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs samt evtl. Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG, und das alles womöglich nicht nur für wenige Monate.

Da die Umsatzsteuer eine Anmeldesteuer ist (§ 18 Abs. 3 UStG, § 150 Abs. 1 AO), steht die Umsatzsteuer-Jahreserklärung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Abs. 1 AO), so dass sie infolge einer geänderten Betrachtung der (Nicht-) Steuerbefreiung innerhalb der Festsetzungsfrist änderbar ist (§ 164 Abs. 2, §§ 169 ff AO).

Hält der Dozent auf Honorarbasis Vorträge oder gibt er Kurse wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von einer Verwaltungs- bzw. Wirtschaftsakademie, von einer Volkshochschule oder einer gemeinnützigen Einrichtung bzw. einem Berufsverband durchgeführt werden (§ 4 Nr. 22 a) UStG), sind seine eigenen Unterrichtsleistungen nicht nach § 4 Nr. 22 a) UStG von der Umsatzsteuer befreit, sondern grds. umsatzsteuerpflichtig (Abschn. 4.22.1 Abs. 3 UStAE), zumindest wenn der Dozent die Kleinunternehmergrenze überschritten hat (§ 19 UStG). Seine im Übrigen erbrachten und nach § 4 Nr. 21 bzw. nach § 4 Nr. 22 UStG befreiten Ausgangsumsätze zählen dabei nicht zum Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Möglich ist allerdings, dass die Akademie, Volkshochschule oder der Berufsverband über eine Bescheinigung verfügt und damit zur Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 21a) bb) UStG geworden ist. In diesem Fall sind auch die Bildungsleistungen des Dozenten umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 21 b) bb) UStG).

Tipp: Die aktuellen Gesetzestexte finden sich im Internet unter: https://www.gesetze-im-internet.de

Eine weitere Möglichkeit, dass die Vortrags- und Kursleitertätigkeit eines Dozenten bei einer Akademie, einer VHS oder einem Berufsverband aufgrund der neu eingeführten Befreiung für Bildungsleistungen von Privatlehrern umsatzsteuerfrei ist, ergibt sich nach derzeitigem Stand wohl nicht:

Dozent als Privatlehrer

Zum 1.1.2025 wurde der Kreis der Leistungserbringer auf sog. Privatlehrer ausgedehnt, die Schul- und Hochschulunterricht erteilen (§ 4 Nr. 21 c) UStG), selbst aber über keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügen.

Privatlehrer können ausschließlich natürliche Personen sein. Der Privatlehrer muss zudem in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung die Unterrichtsleistungen erbringen wobei der Unterricht auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Schülers oder Studenten ausgerichtet ist. Dabei gestaltet und organisiert der Privatlehrer selbst die Unterrichtseinheiten, die nicht zwingend räumlich in einer (Hoch-) Schule stattfinden müssen, sondern z.B. auch in dessen Wohnung erteilt werden können. Bei dem Unterricht selbst muss es sich aber um Schul- bzw. Hochschulunterricht handeln; insofern gelten die gleichen inhaltlichen Anforderungen an die Tätigkeit wie nach § 4 Nr. 21 UStG (siehe unten).

Das Erfordernis, dass der Unterricht privat erteilt wird, setzt keine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Schülern bzw. Studenten und ihrem Privatlehrer voraus. Eine Vertragsbeziehung kann auch mit anderen Personen bestehen, etwa mit den Eltern der Schüler oder Studenten (vgl. Axmann/Huschens, „Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen ab 1.1.2025“, UVR 2025, S. 81ff, II 4). Demnach müsste es auch möglich sein, dass der Privatlehrer über eine Akademie, eine VHS oder einen Berufsverband umsatzsteuerfreie Leistungen erbringt, sofern er im Übrigen die Voraussetzungen gem. § 4 Nr. 21 c) UStG erfüllt. Dem scheint jedoch das Urteil des EuGH vom 28.1.2010, Rechtssache Eulitz, entgegen zu stehen, in dem der EuGH ausführt, dass ein Lehrer jedenfalls dann nicht privat tätig werde, wenn er als Lehrkraft im Rahmen der von einer dritten Einrichtung angebotenen Lehrveranstaltung Unterrichtsleistungen erbringe. Das würde bedeuten, dass kein Privatlehrer ist, wer im Rahmen der von einer Einrichtung angebotenen Lehrveranstaltung Leistungen erbringt (so auch Langer in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, 201. Ergänzungslieferung, April 2025, zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL, Rz. 61 m.w.N.).

In der Rechnung ist zwingend erforderlich „das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die … sonstige Leistung“ anzugeben (§ 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG) und „ … im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf [zu geben], dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt“ (§ 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG), idealerweise also die Grundlage für die Umsatzsteuerbefreiung zu benennen.

„Klassiker“ der Bildungsleistungen: Schul- und Hochschulunterricht

Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts, der weder in § 4 Nr. 21 UStG noch in der MwStSystRL oder in der MwStDVO definiert ist, ist von der Rechtsprechung geprägt und orientiert sich am Leitbild des Leistungsangebotes im öffentlich-rechtlichen Bildungssystem und damit allgemein an einem integrierten „System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten, je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen“ (vgl. Axmann/Huschens, „Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen ab 1.1.2025“, UVR 2025, S. 81ff, II 1, II 2 b m.w.N.).

Dabei wird der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts restriktiv ausgelegt, zum einen in Abgrenzung ggü. bloßer Freizeitgestaltung, zum anderen ggü. „spezialisierten“ bzw. „punktuellen“ Unterrichts: Der Ausschluss von reinen Freizeitangeboten erlaubt nicht den Umkehrschluss, jeder andere Unterricht sei als Schul- und Hochschulunterricht anzusehen (vgl. EuGH v. 14.6.2007, Haderer, C-445/05, HFR 2007, 806, UVR2007, 292).

Privatlehrer sind möglicherweise nicht von der restriktiven Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“ betroffen: Die Bestimmung ist unionsrechtskonform auszulegen. Steuerfrei nach Art. 132 Abs. 1 j) MwStSystRL sind die Unterrichtseinheiten eines Privatlehrers, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen und „damit auf jegliche Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat“ (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 31/20, Tz. II.4.b.aa) m.w.N.).

Ausdehnung der ihrer Art nach befreiten Bildungsleistungen auf Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung

Seit dem 1.1.2025 ist der Kreis der ihrer Art nach befreiten Bildungsleistungen deutlich erweitert worden. War bislang nach nationalem Recht allein Schul- und Hochschulunterricht begünstigt, so zählen nun auch Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung zu den befreiten Bildungsleistungen (vgl. § 4 Nr. 21 a) bb) UStG).

Art. 44 MwStDVO bestimmt, dass „die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, … Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme [umfassen], die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.“

Begünstigt sind demnach Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen und hierzu konkret geeignet sind. Darunter fallen nicht nur öffentlich-rechtlich geregelte Ausbildungen, sondern auch Ausbildungslehrgänge gewerblicher Institute oder Seminaranbieter. Im Unterschied zur Ausbildung versteht man unter einer Fortbildung Leistungen, die es in einem bereits erlernten Beruf ermöglichen, die Handlungsfähigkeit zu erhalten, anzupassen, zu erweitern oder aufzusteigen. So können z.B. auch Supervisionsleistungen umsatzsteuerfrei sein (BFH v. 20.3.2014, V R 3/13, BFHE 245, 391). Da es zudem auf die Dauer der Bildungsmaßnahme nicht ankommt, sind z.B. auch Tagesveranstaltungen begünstigungsfähig.

Nicht befreit (d.h. keine Leistungen der Ausbildung, Fortbildung, beruflichen Umschulung) sind jedoch Leistungen, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen. Auf reine Freizeitgestaltung könnten Kurse gerichtet sein, die Kenntnisse und Fähigkeiten betreffen, die regelmäßig im Privatleben angewendet werden.

Werden hingegen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die von den Teilnehmern sowohl privat als auch beruflich nutzbar sind („Dual-Use“-Leistungen), weil die Schulungsmaßnahme für den Erwerb oder zum Erhalt beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten konkret geeignet ist, ohne eine bestimmte Qualifikation oder gar einen Bildungsabschluss zu vermitteln, stellt sich die Frage, nach welchen objektiven Kriterien die befreiten von den nicht befreiten Unterrichtsleistungen abzugrenzen sind. Wendet man die Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.11.2022 (Az. V R 33/21, HFR 2023, 475, Rz. 36) auf die Dual-Use-Maßnahmen an, ergeben sich folgende Fallkonstellationen:

  • Alle Teilnehmer nutzen die Schulungsmaßnahme beruflich (sog. „geschlossene Kurse“): umsatzsteuerfrei;
  • Lediglich ein Teil der Teilnehmer nutzt die Schulungsmaßnahme beruflich (sog. „gemischte Kurse“): umsatzsteuerfrei für alle Teilnehmer (leistungsbezogene Auslegung, weil ansonsten ein und dieselbe Maßnahme für einen Teil der Teilnehmer umsatzsteuerfrei, für den anderen umsatzsteuerpflichtig wäre).
  • Keiner der Teilnehmer nutzt die Schulungsmaßnahme beruflich: umsatzsteuerpflichtig.

Ob der BFH diese zu § 4 Nr. 22 UStG aufgestellten Grundsätze auch auf die neu eingeführte Befreiung für Privatlehrer nach § 4 Nr. 21 c) UStG anwenden wird, bleibt abzuwarten.

Fazit & Plädoyer für einen weiten Bildungsbegriff

Fluch und Segen der Umsatzsteuerbefreiung liegen nahe beieinander: Seit dem 1.1.2025 ist nicht nur der Kreis der ihrer Art nach befreiten Bildungsleistungen auf berufliche Fortbildung und Umschulung deutlich erweitert worden. Auch der Kreis der Leistungserbringer wurde auf sog. Privatlehrer ausgedehnt. Zahlreiche Bildungsleistungen können durch diese zweifache Ausdehnung preiswerter angeboten und damit niedrigschwelliger zugänglich gemacht werden. Davon profitieren insbesondere Arbeitnehmer, die sich auf eigene Kosten weiterbilden und denen der Vorsteuerabzug versagt ist. Dieser erleichterte Zugang ist zu begrüßen.

Offene Fragen bleiben allerdings auch nach der Rechtsänderung, insbesondere gibt es große Unsicherheit bzgl. der Bescheinigung: Hier wäre eine aussagekräftige Verwaltungsregelung zeitnah geboten, um Rechts- und Planungssicherheit zu gewährleisten. Ein faktisches Wahlrecht in Gestalt der alleinigen Beantragungsmöglichkeit durch den Unternehmer wäre wünschenswert.

Ebenso wünschenswert wäre es, wenn das Ensemble der Umsatzsteuerbefreiungen einer gewissen inneren Logik folgen und die Bildungsleistung in den Mittelpunkt rücken würde: Denn wer kann verstehen, weshalb z.B. ein studierter Französischlehrer, der auf Honorarbasis an einer Hochschule oder dem Institut Français einen Kurs „Allgemeinfranzösisch B1“ erteilt, hierfür keine Umsatzsteuer zu entrichten hat (§ 4 Nr. 21 b) UStG), wohingegen seine Unterrichtsleistung umsatzsteuerpflichtig ist, wenn er denselben Kurs mit denselben Kursmaterialien an einer VHS gibt, weil er als Einzelperson nicht die unternehmerbezogenen Voraussetzungen nach § 4 Nr. 22 a) UStG erfüllt, und der Kurs für ihn auch nicht unter die Befreiung als Privatlehrer fallen soll (§ 4 Nr. 21 c) UStG), weil er den Kurs innerhalb der Angebotsstruktur der VHS erteilt anstatt „privat“ bei sich zu Hause am Küchentisch?

Nicht minder problematisch ist die Definition der Bildungsleistung, wie sie die Rechtsprechung zwischen einem allgemeinbildenden, integrierten Unterrichtssystem einerseits und spezifischem Unterricht andererseits aufspannt, ergänzt um berufliche Bildung, aber unter Ausschluss bloßer Freizeitgestaltung. Doch wie lassen sich Bildungsleistungen anhand dieser Kriterien im Rahmen heutiger Bildungsanforderungen und -möglichkeiten eindeutig abgrenzen? Heute sind fachliche Qualifikationen die Grundvoraussetzung für eine Stelle, doch die sog. „Soft-Skills“ können den Unterschied machen. Erwirbt man nicht auch, vielleicht sogar gerade bei reinen Freizeitaktivitäten Fähigkeiten, die am Arbeitsplatz außerordentlich nützlich sein können? Wer in einer Teamsportart begriffen hat, dass er Teil des Ganzen ist und das Ganze durch Vielfalt stärker wird, wird auch innerhalb der Arbeitsgruppe teamfähig sein. Wenn Mitarbeiter im Yogakurs lernen, sich zu entspannen und besser mit Stress umzugehen, sind sie auch bei der Arbeit belastbarer. Wer beim Joggen gelernt hat, seine Kräfte einzuteilen, wird das auch im beruflichen Kontext tun, und ist weniger gefährdet, einen Burnout zu erleiden.– Ein Bildungsbegriff im Sinne geistiger und persönlicher Weiterentwicklung wäre im Hinblick auf die Förderung lebenslangen Lernens sicherlich zielgerichteter als minutiöse – um nicht zu sagen vergebliche – Abgrenzungsversuche; statt die Art der Bildungsleistung zu reglementieren, könnte allein auf das qualitative Niveau des Unterrichtenden, seiner Befähigung zur Wissensvermittlung, abgestellt werden, doch im Hinblick auf die Maxime einer engen Auslegung von Steuerbefreiungsnormen und vor dem Hintergrund fiskalischer Begrenzungen ist realistischerweise nicht mit Vereinfachungen zu rechnen.

Abschließend sei noch auf ein weiteres Abgrenzungsproblem hingewiesen: Bildungsleistungen sind von Beratungsleistungen zu unterscheiden. Bildung vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die über Transferleistungen in verschiedenen Situationen angewendet werden können, wohingegen Beratung immer auf die konkrete Lösung eines spezifischen Problems gerichtet ist. Soweit die Theorie. Wenn aber, wie beim Coaching oft der Fall, der Coach seinen Kunden nicht einfach nur dabei unterstützt, das Problem, das ihn zum Coach geführt hat, zu lösen, sondern wenn der Kunde im Rahmen des Coachings sich über sich selbst, seine eigenen Verhaltens- und Reaktionsschemata bewusster wird, wenn er Mechanismen auch bei anderen erkennt, wenn er Strategien entwickelt, mit dieser und anderen Situationen besser umzugehen: Hat er dann eine Lösung auf dem Silbertablett präsentiert bekommen oder hat er etwas gelernt? Ist es sinnvoll, die Entweder (Bildung)-Oder (Beratungs)-Frage zu stellen, oder sollte man nicht viel eher Coaching und vergleichbare Leistungen als ein Kontinuum betrachten, das mal mehr, mal weniger Beratungs- bzw. Bildungsanteile enthält? Und sollte man, wenn man Bildung wirklich fördern möchte, wenn man Bildung umfassender begreift und als gesellschaftlich wichtig erachtet, hier nicht großzügiger verfahren und der Steuerbefreiung einen weiten Bildungsbegriff zugrunde legen?