Kleinunternehmer – jetzt auch europaweit

Symbolbild Steuerrecht

Kleinunternehmer – jetzt auch europaweit

Bislang war die Kleinunternehmerregelung auf das Inland begrenzt; doch seit dem 1.1.2025 ist sie auch auf Umsätze im europäischen Gemeinschaftsgebiet anwendbar.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer nur gelegentlich oder zumindest nicht allzu umfangreich im europäischen Ausland unternehmerische Leistungen erbringt, braucht sich in dem anderen Mitgliedsstaat nun weder zu registrieren noch die nach dortigem Recht ermittelten Umsatzsteuerbeträge anzumelden und abzuführen, solange er die Voraussetzungen der neuen EU-Kleinunternehmerregelung erfüllt.

Andererseits stellt die Neuregelung für den europäischen Kleinunternehmer eine Herausforderung dar – und auch für seine Kunden: Der Kleinunternehmer selbst muss nicht nur den relativ abrupten Beginn (bzw. das Ende) der Wirksamkeit seiner Steuerbefreiung organisieren. Für ihn und für seine Kunden ergeben sich zudem aus seinem Status (-wechsel) Auswirkungen auf den eigenen Vorsteuerabzug und ggf. sogar Folgen im Hinblick auf eigene Deklarationspflichten (Reverse-Charge: ja oder nein).

Die Regelung im Überblick

Unabhängig davon, ob ein Unternehmer im Inland als Kleinunternehmer anzusehen ist oder nicht, hat er seit dem 1.1.2025 die Möglichkeit, für die von ihm im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbrachten Umsätze die Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland anzuwenden (RL 2020/285). Umgekehrt dürfen Unternehmer, die in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sind, für ihre in Deutschland erbrachten Umsätze die deutsche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen (§ 19 Abs. 4 UStG). Auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann verzichtet werden (§ 19 Abs. 3, 5 UStG).

Voraussetzung für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland ist, dass dem Unternehmer von seinem EU-Ansässigkeitsstaat eine gültige Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.) erteilt worden ist.

Die Steuerbefreiung als EU-Kleinunternehmer gilt grds. ab dem Tag, an dem der Ansässigkeitsstaat dem Unternehmer die KU-IdNr. mitgeteilt hat (Art. 284 Abs. 5 MwStSystRL). Eine so kurzfristige Umstellung von steuerpflichtigen auf steuerfreie Umsätze könnte den Kleinunternehmern organisatorische Schwierigkeiten bereiten.

In Deutschland erteilt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr). Der Registrierungsantrag ist mittels eines im Onlineportal des BZSt hinterlegten Formulars zu übermitteln: https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Umsatzsteuer/EU-KU-Regelung/eu_ku_regelung.html#js-toc-entry5

Auf EU-Ebene gibt es die Möglichkeit, über ein Bestätigungsverfahren die Gültigkeit der KU-IdNr zu überprüfen: https://ec.europa.eu/taxation_customs/sme-verification/#/sme-verification

Zudem ist erforderlich, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens im gesamten Gemeinschaftsgebiet (d.h. in allen Mitgliedsstaaten inkl. Inland) im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 € nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet (§ 19 Abs. 4 UStG).

Um zu überprüfen, ob die Umsatzgrenze eingehalten wird, ist zum 1.1.2025 ein neues besonderes Meldeverfahren eingeführt worden (§ 19a UStG). Die Meldungen sind für jedes Kalendervierteljahr abzugeben, sofern der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat die dortige Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen möchte.

Wer die Kleinunternehmerregelung jedoch nicht in Anspruch nimmt (oder nehmen kann), muss sich weiterhin in dem EU-Staat registrieren lassen. Er hat seine europäischen Umsätze in dem jeweiligen anderen Mitgliedstaat im normalen Besteuerungsverfahren nach den dort geltenden Regelungen anzumelden (Ausnahme: Sonderregelung des sog. „One-Stop-Shop“).

Die neu eingeführte Möglichkeit der grenzüberschreitenden Kleinunternehmerbesteuerung betrifft ausschließlich Unternehmer des EU-Gemeinschaftsgebietes. Unternehmer aus dem Drittlandsgebiet können – soweit sie im Inland steuerbare Leistungen ausführen – die deutsche Kleinunternehmerbesteuerung nicht in Anspruch nehmen. Ebenso ergeben sich auch weiterhin für deutsche (Klein-)Unternehmer, die Leistungen im Drittlandsgebiet ausführen, die steuerlichen Konsequenzen ausschließlich nach den im Drittlandsgebiet geltenden Regelungen.

Umsatzgrenze

Es ist für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung (und somit der Steuerbefreiung des Umsatzes im Bestimmungsmitgliedstaat) in einem anderen Mitgliedstaat nicht notwendig, dass der Unternehmer in seinem Heimatstaat die Voraussetzungen der Kleinunternehmerbesteuerung erfüllt. Insgesamt darf der Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet jedoch die 100.000 €-Grenze nicht überschreiten.

Beispiel: Der in Deutschland ansässige Unternehmer U erzielt nachhaltig einen inländischen Umsatz i.H.v. 50.000 € und einen Umsatz in Belgien i.H.v. 10.000 €. Da sein inländischer Umsatz die Umsatzgrenze der deutschen Kleinunternehmerregelung überschreitet, kann er im Inland nicht als Kleinunternehmer behandelt werden. Im gesamten Gemeinschaftsgebiet erzielt er 60.000 € Umsatz und damit weniger als 100.000 €, d.h. er kann prüfen, ob er die übrigen belgischen Anforderungen an die dortige Kleinunternehmerregelung erfüllt.

Mit dem Überschreiten der Grenze von 100.000 € kann die unionsweite Kleinunternehmerbesteuerung nicht mehr in Anspruch genommen werden und die Teilnahme an dem besonderen Meldeverfahren endet.

Vorsteuerabzug für den inländischen EU-Kleinunternehmer

Wendet ein Unternehmer sowohl im Inland als auch im EU-Gemeinschaftsgebiet die Kleinunternehmerregelung an, steht ihm insgesamt kein Vorsteuerabzug zu (§ 15 Abs. 2 UStG).

Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, dass ein Unternehmer zwar im EU-Ausland die Kleinunternehmerregelung des jeweiligen Mitgliedsstaates anwendet, im Inland jedoch nicht. Denn als in Deutschland regelbesteuerter Unternehmer kann er (unter den allg. Voraussetzungen) grds. Vorsteuern abziehen (§ 15 Abs. 1 UStG). Da er aber die Regelungen zur EU-Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nimmt, erbringt er insoweit umsatzsteuerfreie Ausfuhrumsätze. Für inländische Eingangsumsätze, die mit diesen steuerfreien ausländischen Ausgangsumsätzen in Zusammenhang stehen, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG), sofern keine Rückausnahme greift (§ 15 Abs. 3 UStG). Das Vorsteuerabzugsverbot gilt – anteilig – auch für Eingangsleistungen, die nicht ausschließlich mit den in den anderen Mitgliedstaaten ausgeführten steuerfreien Umsätzen in Zusammenhang stehen, z.B. allgemeine Bürokosten. In diesem Fall muss eine Vorsteueraufteilung vorgenommen werden (§ 15 Abs. 4 UStG).

EU-ausländische Unternehmer im Inland als Kleinunternehmer – was hat der Leistungsempfänger zu beachten?

Ob ein ausländischer Unternehmer die Kleinunternehmerregelung im Inland in Anspruch nimmt oder nicht, ist auch für den inländischen Leistungsempfänger von Bedeutung, denn je nachdem ergeben sich für ihn unterschiedliche umsatzsteuerliche Konsequenzen: 

  • Nimmt der EU-ausländische Unternehmer für die von ihm in Deutschland ausgeführte Leistung die Steuerbefreiung als EU-Kleinunternehmer in Anspruch, kann der inländische Leistungsempfänger grundsätzlich nicht zum Steuerschuldner nach § 13b UStG werden (Reverse Charge), denn er empfängt eine (nach § 19 UStG) steuerfreie Leistung. Diese steuerfreie Leistung ist für ihn vorsteuerschädlich (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Der inländische Leistungsempfänger sollte sicherheitshalber mit Hilfe des Bestätigungsverfahrens die Gültigkeit der Kleinunternehmer-Identifikationsnummer verifizieren.
  • Handelt es sich bei dem leistenden EU-Unternehmer jedoch nicht um einen Kleinunternehmer, wird der inländische Leistungsempfänger zum Steuerschuldner nach § 13b UStG (Reverse Charge), so dass er für den leistenden EU-Unternehmer dessen deutsche Umsatzsteuer anzumelden und abzuführen hat. In gleicher Höhe steht ihm grds. der Vorsteuerabzug zu, so dass sich für ihn aus dem Reverse Charge per Saldo keine Zahllast ergibt. Ist der inländische Leistungsempfänger jedoch nach den allgemeinen Regeln grds. nicht vorsteuerabzugsberechtigt, z.B. als Arzt oder Wohnungsvermieter, stellt die Umsatzsteuer, die er für den Leistungsempfänger anzumelden und abzuführen hat, für ihn einen Kostenfaktor dar. Das sollte beim Vergleich verschiedener Angebote über Eingangsleistungen bedacht werden.

Der leistende EU-Unternehmer hat in seiner Rechnung auf die Steuerbefreiung gem. § 19 UStG bzw. auf die Anwendung der Steuerlastumkehr (Reverse-Charge) hinzuweisen (§ 34a Nr. 5 UStDV, § 14a Abs. 5 UStG).

Fehlt in der Rechnung dieser Hinweis, sollte der Leistungsempfänger auf eine entsprechende Rechnungsergänzung hinwirken, um den Vorgang umsatzsteuerlich korrekt zu behandeln. Andernfalls könnten mögliche Fehler später im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuernachschau nicht nur zu steuerlichen Nachforderungen, sondern auch (über mehrere Jahre hinweg) zu Nachforderungszinsen führen.