Kleinunternehmer – jetzt steuerfrei, aber tricky

Symbolbild Steuerrecht

Kleinunternehmer – jetzt steuerfrei, aber tricky

Statt – wie sonst üblich – lediglich die Umsatzgrenze anzuheben, wurde die inländische Kleinunternehmerregelung zum 1.1.2025 grundlegend neu gestaltet.

Für (noch) kleine Unternehmen, deren Kunden als Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, und die selbst keine hohen Vorsteuerbeträge geltend machen können, z.B. aus Investitionen, war und ist die Kleinunternehmerregelung nicht nur eine bürokratische Erleichterung; oft ermöglicht sie auch einen Preisvorteil für private Endverbraucher als Kunden und damit einen Wettbewerbsvorteil für den Unternehmer.

Zum 1.1.2025 wurde die Kleinunternehmerregelung fundamental geändert. Die gute Nachricht ist: Der Kleinunternehmer braucht nun doch keine E-Rechnungen auszustellen und unterliegt vereinfachten Rechnungsangaben. Der Wermutstropfen: Die Gesamtumsatzgrenze wird nun zum Fallbeil, das bereits unterjährig nach unten schnellen und die Kleinunternehmerregel kappen kann. Und „tricky“ wird es, wenn der Kleinunternehmer Güter oder Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht.

 Um die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen zu können, darf der Gesamtumsatz des Unternehmers im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 25.000 € (bisher: 22.000 €) betragen haben. Dann wird der Unternehmer ab dem nächsten 1.1. automatisch zum Kleinunternehmer, ohne dass es eines Antrags bedarf. Wie bislang, können Kleinunternehmer auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichten. 

Die bis zum Jahr 2024 zusätzlich zum Jahresbeginn notwendige Prognose des Gesamtumsatzes des laufenden Jahres entfällt ab dem Jahr 2025. Stattdessen wird eine “Fallbeilregelung” eingeführt: Überschreitet der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 100.000 €, entfällt ab dem Umsatz, mit dem die Grenze überstiegen wird, die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung. Somit kann es bereits unterjährig zu einem Wechsel der Besteuerungsform vom Kleinunternehmer zum Regelversteuerer kommen.

Weitere Änderung in Bezug auf den Gesamtumsatz: Hat die Unternehmereigenschaft im vorangegangenen Kalenderjahr nicht die gesamte Zeit bestanden (z. B. bei Neuaufnahme einer unternehmerischen Betätigung), erfolgt zur Ermittlung, ob die Gesamtumsatzgrenze im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten wurde, keine Hochrechnung mehr auf einen Gesamtjahresumsatz, wie es bis zum 31.12.2024 noch gesetzlich vorgegeben war. Maßgeblich ist also der im Rumpfwirtschaftsjahr tatsächlich erzielte Umsatz.

Deshalb muss in Zukunft bei jeder Unternehmensgründung – auch großer Unternehmen – auf die Kleinunternehmerbesteuerung geachtet werden, um rechtzeitig auf die Anwendung zu verzichten; andernfalls geht die Vorsteuerabzugsberechtigung gerade für die Anfangsinvestitionen verloren. Ein „rückwirkender“ Verzicht auf die Kleinunternehmerbesteuerung ist nur noch bis Ende Februar des übernächsten Kalenderjahres möglich.

Wie ermittelt sich der Gesamtumsatz? Zur Überprüfung, ob die maßgeblichen Umsatzgrenzen überschritten sind oder nicht, ist nun von den „vereinnahmten Entgelten“ auszugehen (Netto-Ist-Umsatz), d.h. die Hinzurechnung der Umsatzsteuer erfolgt nicht mehr – anders als dies bis zum Ende des Jahres 2024 der Fall gewesen ist. Zu beachten ist allerdings nach wie vor, dass es bei der Berechnung des Gesamtumsatzes das gesamte Unternehmen des Kleinunternehmers zu betrachten gilt (Grundsatz der Einheitlichkeit des Unternehmens). Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes werden allerdings systematisch bestimmte Umsätze ausgenommen, wie z.B. die Umsätze aus Vermietung von Wohngrundstücken oder der Verkauf von Anlagevermögen (vgl. § 19 Abs. 2 UStG).

Nach der bisherigen Regelung wurde die Umsatzsteuer bei Kleinunternehmern lediglich “nicht erhoben”. Ab dem Jahr 2025 kommt es zu einer grundlegenden Änderung: Kleinunternehmer führen von nun an steuerfreie Umsätze aus. Aus der Steuerfreiheit der Umsätze eines Kleinunternehmers ergibt sich bereits steuersystematisch, ohne dass es einer besonderen Regelung hierfür bedürfte, dass Kleinunternehmer weder in ihren Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausweisen noch Vorsteuer aus Eingangsrechnungen abziehen dürfen. Mit dieser Änderung ersetzt der Gesetzgeber einen systemwidrigen Fremdkörper“ durch ein systemkonfomres Konstrukt, was im Sinne der Logik und Kohärenz der Regelungen zu begrüßen ist.

Grundsätzlich brauchen Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch Umsatzsteuer-Jahressteuererklärungen abgeben. Ausnahme: In bestimmten Fällen kann es auch bei Kleinunternehmern zur Entstehung einer von ihnen geschuldeten Umsatzsteuer kommen, die dann gegenüber seinem Finanzamt angemeldet und auf Grund der nicht vorliegenden Vorsteuerabzugsberechtigung abgeführt werden muss. Deshalb haben Kleinunternehmer in den betreffenden Monaten Voranmeldungen und später eine Jahressteuererklärung abzugeben, wenn sie Steuer für innergemeinschaftliche Erwerbe oder die Einfuhr schulden, wenn sie letzter Erwerber im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts sind oder wenn es zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens kommt. 

Praktische Relevanz haben aufgrund der Digitalisierung und des Remote-Arbeitens insbesondere die Fälle des Reverse-Charge:

  • Bezieht ein inländischer Kleinunternehmer bei einem im übrigen EU-Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer eine sonstige Leistung, ist die sonstige Leistung am Sitzort des Leistungsempfängers in Deutschland umsatzsteuerbar und i.d.R. auch steuerpflichtig, so dass der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner wird, § 13b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG. In diesem Fall hat der Kleinunternehmer auf den Zahlungsbetrag Umsatzsteuer aufzuschlagen und diese Umsatzsteuer für den leistenden Unternehmer bei seinem eigenen Finanzamt anzumelden. Da er als Kleinunternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, führt dies auch zu einer tatsächlichen Zahllast gegenüber dem Finanzamt – und somit zu Kosten für den Unternehmer.
  • Im umgekehrten Fall, wenn es der inländische Kleinunternehmer ist, der gegenüber einem im EU-Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer eine sonstige Leistung ausführt, greift das Steuerschuldnerverfahren (Reverse-Charge-Verfahren) jedoch nicht, da die Leistung des Kleinunternehmers steuerfrei und somit nicht steuerpflichtig ist – das Reverse-Charge-Verfahren aber setzt immer einen steuerpflichtigen Umsatz voraus.

Weitere Regelungen, die für einen Kleinunternehmer keine Anwendung finden, sind (§ 19 Abs. 1 UStG):

  • Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen;
  • Verzicht auf die Steuerbefreiung von Umsätzen (Option);
  • Verpflichtung zur Angabe einer USt-Id-Nr. in einer Rechnung.

Neu ist auch eine explizite Darstellung zu den Rechnungsanforderungen des Kleinunternehmers in § 34a UStDV. Für die im Inland ausgeführten, aber aufgrund der Kleinunternehmerbesteuerung steuerfreien Umsätze muss eine Rechnung ausgestellt werden, die die folgenden Angaben enthält:

  • Den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
  • die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer, die USt-Id-Nr. oder die Kleinunternehmer-Identifikationsnummer,
  • das Ausstellungsdatum,
  • die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
  • das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung mit einem Hinweis auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (§ 19 UStG) und,
  • soweit die Rechnung von einem Leistungsempfänger ausgestellt worden ist (Gutschrift), einen Hinweis auf diese Abrechnung durch Gutschrift.

Kleinunternehmer können – auch nach Ablauf der Übergangsregelungen bei Einführung der neuen E-Rechnung – weiterhin „sonstige Rechnungen“ ausstellen, d.h. insbesondere Papierrechnungen oder Dateien im Pdf-Format, § 34a Satz 3 UStDV.

Fazit:

Die Kleinunternehmerbesteuerung ist in Deutschland seit vielen Jahrzehnten – bis auf die Anpassung der Gesamtumsatzgrenzen – systematisch unverändert geblieben. Am 1. 1. 2025 sind jedoch umfassende Änderungen in Kraft getreten, die grundsätzlich zu begrüßen sind, weil sich die Kleinunternehmerregelung nun besser in die Steuersystematik einfügt. 

Wegen des “Fallbeils” beim unterjährigen Überschreiten der Gesamtumsatzgrenze und wegen der Erklärungspflichten bei Sachverhalten “über die Grenze” wird der vereinfachende Effekt der Kleinunternehmerregelung allerdings konterkariert. Erfordern diese Regelungen doch nicht nur, bereits unterjährig zeitnah den Gesamtumsatz im Blick zu behalten, sondern vor allem verlangen sie vom Kleinunternehmer solide Kenntnisse, um beurteilen zu können, wann ein Reverse-Charge vorliegt mit der Folge, dass der Kleinunternehmer eine Voranmeldung abzugeben hat. – Welcher Kleinunternehmer besitzt diese detaillierten Kenntnisse?

Man kann Kleinunternehmern deshalb nur raten, ihre Geschäftsvorfälle fortlaufend von einem Profi verbuchen zu lassen, um evtl. Erklärungspflichten rechtzeitig nachzukommen – oder keine Dienstleistungen im Ausland einzukaufen.